"Eine substanzlose Energie führt den Kopf nach oben. Das Qi ist zum Dantian abgesenkt."
So heißt es bei Wang Zong Yue in den Taijiquan Klassikern.
"Schau freundlich, entspann Dich, Blick in der Ferne" und Ähnliches habe ich von in meinen Anfangszeiten im Taiji sehr oft gehört. Und obigen Spruch in diesem Zusammenhang.
Eine aufrechte, lockere Körperhaltung scheint eine wesentliche Grundlage für Taijiquan zu sein. „No leaning, no tilting“ (kein Lehnen, kein Kippen) ist der nächste Hinweis bei Wang Zong Yue. „Wo es ein oben gibt, gibt es auch ein unten“ wurde ebenfalls oft zitiert.
Damit Taiji Quan seine volle Kraft auf Körper und Geist entfalten kann, ist es ein großes Ziel, den gesamten Organismus als Einheit zu bewegen. Die Überbetonung einer Seite oder einer Bewegungsrichtung führt zu Disharmonie, Instabilität, unnötiger Körperspannung und zu Blockaden. Die aufrechte Körperhaltung fördert die Selbst-Wahrnehmung und mindert die Körperspannung, sodass wir leicht und agil werden. Unsere Lebensgeister sind stark, unser Qi fließt ungehindert.
Um das Prinzip der Einheit des Körpers zu verwirklichen, kommt das Yin-und-Yang Konzept mehrfach zur Verwendung. Wenn oben etwas passiert, geschieht gleichzeitig unten etwas. In diesem Fall löst sich der Kopf, wir werden oben leichter, gleichzeitig wird unser Stand sicherer und stabiler. So entwickelt sich eine starke, bewegliche Mitte, Qi kann zu Dantian sinken. Aber auch äußere Kräfte die auf uns einwirken finden eine Verbindung zu unserer Körpermitte; wenn wir selbst Kraft ausüben, kommt sie aus der Mitte und benötigt keine plumpe Kraft (Li), sondern entspricht der weichen, elastischen Kraft Jin.
Den Kopf Richtung Himmel zu lösen, bringt unsere Aufricht-Reflexe zum Vorschein, der gesamte Körper kann sich optimal in der Schwerkraft strukturieren. Das Leben wir müheloser. Das Prinzip ist jederzeit in unserem Alltag anwendbar – im Sitzen, Gehen, den meisten Sportarten – und füllt unsere Dantian ständig mit Qi. Unsere Gedanken beruhigen sich, unsere Verwurzelung verbessert sich.
Aus meiner Sicht ist der entscheiden Hinweis die Ganzheitlichkeit. Wenn Du an einer Stelle etwas änderst – und die Ausrichtung des Kopfes ist eine ganz entscheidende Stelle – ändert sich im Gesamtsystem etwas. Die Ausrichtung des Kopfes mag zunächst ungewohnt sein, anfangs verwendet man dazu vielleicht Spannung. Eine insubstantielle (substanzlose) Energie führt den Kopf nach oben! Das hat nichts mit Spannung zu tun, nichts im Körper wird fest. Es handelt sich jedoch um eine deutlich spürbare Veränderung im Körper, Qi und Geist folgen rasch.
Derartige Taiji (bzw. Lebens-) Prinzipien zu verwirklichen ist von wesentlicherer Bedeutung, als einen Bewegungsablauf zu machen. Entspannung darf nicht zu Laschheit oder Kraftlosigkeit werden. Die entspannte, gelöste Körerhaltung geht mit mehr Kraft, Qi und Vitalität einher. Taiji kann sein Potential entfalten.
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